Geschichtskurse besuchen die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang

Am Dienstag, den 9. November haben der Q2 Leistungskurs und der Q2 Grundkurs Geschichte eine ganztägige Exkursion unter Begleitung der

unterrichtenden Lehrkräfte Frau Schmitz und Herrn Dählmann zur ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang in Schleiden (Eifel) unternommen.

Thematisch setzten sich die interessierten Schülerinnen und Schüler in einem Workshop mit der Vergangenheit des Geländes, der Bedeutung für die Nationalsozialisten und dem Themenbereich der Herrenmenschen und ihrer

Verantwortung für die Ermordung unschuldiger Menschen auseinander. Dabei konnten die Schülerinnen und Schüler einen weiteren Bereich aus dem fachlichen Themengebiet des Nationalsozialismus an einem authentischen Lernort hautnah erfahren und erleben.

 

(Fotos + Bericht: Carsten Dählmann)

 

 

Es folgt ein Artikel von Laura Höschen, Q2:

 

Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang ist eine der drei erbauten Ausbildungsstätten zu den sogenannten „Herrenmenschen“ während der Zeit des Nationalsozialismus. Die Ordensburg gilt als eins der größten baulichen Vermächtnisse dieser Zeit in Deutschland.

Doch was genau geschah in der Ordensburg und was versteht man unter „Herrenmenschen“?

„Herrenmenschen“ sind nach Ansicht der Nationalsozialisten Angehörige der Herrenrasse, einer geistig, politisch und kulturell überlegenen Menschenrasse, die wegen ihres Erscheinungsbilds und Abstammung das Recht habe, über andere zu herrschen und sie zu unterdrücken. Präziser gesagt, es handelte sich um eine relativ kleine Gruppe von jungen Männern (aufgrund der zu erfüllenden Voraussetzungen), die sich in den Ordensburgen zur zukünftigen Führungselite der NS-Herrschaft ausbilden ließen. „Ordensjunker“ nannten sie sich und wurden der „Volksgemeinschaft“ als die neue Elite der NSDAP präsentiert. Sie selbst glaubten, mit dieser Berufung einen Weg in sozialen Aufstieg und eine berufliche Karriere beschritten zu haben. Viele junge Männer fühlten sich angezogen, vor allem da die „Junker“ meist aus einfachen Verhältnissen stammten.

Die Planung und Führung der Ausbildung auf der Ordensburg oblag dem Reichsleiter Robert Ley, dem Chef der Deutschen Arbeitsfront. Er fungierte als Personalchef und bestimmte die Kriterien, die für die Zulassung erfüllt werden mussten. Erwünscht waren lediglich athletische Männer in ihren zwanziger Jahren, die eine „arische“ Abstammung bis 1800 und eine Parteimitgliedschaft von vor 1933 nachweisen konnten. Ley achtete darauf, dass die ausgesuchten jungen Männern den NS-Ansprüchen entsprachen, indem sie zum Beispiel athletisch gebaut waren und das äußere Ebenbild der Ideologie abbildeten. Leys Kriterien verbaten es, Schulzeugnisse oder berufliche Qualifikationen in der Bewerbung zu berücksichtigen.

Hierbei kommt das eigentliche Ziel der Ordensburgen zu Tage: Die Ausbildung zielte nicht auf Schulung, sondern auf Glaubensvermittlung ab. Am Ende sollte dieser Männerbund zu „Vorzeige-Nazis“ ausgebildet worden sein. Gleichartig denkende, fühlende und handelnde Männer, die als Partei-Roboter für die NSDAP einsetzbar und vor allem zum Einsatz im Krieg bereit waren.

Die ideologische Prägung erfolgte durch Vortragsreihen und Seminare, aber auch durch die körperliche Formung mit militärischem Drill und vielerlei Sport. Durch das Fach Rassenlehre wurde das Bild von der Überlegenheit des „arischen“ Herrenmenschen ständig verstärkt. Andere Fächer waren Geopolitik und Germanenkunde. Neben der Lehre der Ideologie galt Sport als wichtigste Grundlage. Das umfangreiche Sportprogramm führte zu kampfbereiten Mitgliedern. Hinzu kam der fest durchgeplante Alltag, der jegliche Privatsphäre ausschloss und somit auch die individuelle Entwicklung und das Selbstdenken der Männer verhinderte. Der Nationalsozialismus legte es darauf an, pseudo-religiöse Züge inne zu haben, um somit als eine Art „Ersatzreligion“ wahrgenommen zu werden. Dies unterstützen beispielsweise die vielen etablierten Riten und Feiern.

Diese Ausbildung wurde historisch legitimiert. Als Vorbild galt der deutsche Ritterorden des Mittelalters. Auch wurde die NS-Ordensburg nach der Ordensburg Vogelsanck aus dieser Zeit benannt. Das positive Bild der Ritterlichkeit wurde so in die Nazi-Ideologie übertragen. Ebenfalls spielte die Germanenverehrung eine Rolle, die schließlich auch ein Unterrichtsfach darstellte.

Um den Junkern tatsächlich den gewünschten Eindruck zu vermitteln, sie seien der „neue Adel“, wurde die Ordensburg für Staatsempfänge, Tagungen, Veranstaltungen und Empfänge der NS-Prominenz wie Hermann Göring, Joseph Goebels und Adolf Hitler selbst genutzt.

Letztendlich wurde die Ausbildung durch den Ausbruch des Krieges unterbrochen. Die Ordensjunker wurden an die Front geschickt oder in der Verwaltung eingesetzt. Sie zogen an der Front mit fanatischem Kampfgeist los, doch nur ein Drittel kehrte aus dem Krieg zurück. Während des Krieges haben sich viele Ordensjunker schwerster Verbrechen schuldig gemacht, darunter z. B. Massenerschießungen an den Mordgruben. Dies verdeutlicht nochmal die Indoktrination der NS-Ideologie.

Die NS-Ordensburg Vogelsang wird häufig von Schulklassen besucht. Wieso ist es sinnvoll sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?

Orte wie dieser sind gerade in der heutigen Zeit von besonderer Bedeutung. Denn aufgrund der weiter voranschreitenden Zeit, ist es heutzutage kaum noch möglich, die Generation, die den Krieg und seine Folgen miterlebt hat, direkt zu befragen und ihre Geschichten zu hören. Der Ort hat das Potenzial, künftige Generationen zu informieren und historisch zu bilden. Es steht als weiterer Baustein der Erinnerungskultur neben KZ-Gedenkstätten, weil es zu erklären hilft, wie der Nationalsozialismus zustande kam.

Auch das Gästebuch der NS-Ordensburg Vogelsang spricht Bände: „Der Ort ist wie eine Zeitreise in die Vorstellungswelt der Menschen jener Zeit und kann uns helfen, die alten Fehler nicht zu wiederholen“, „Ein eindrucksvoller Ort, der deutlich macht, um was es geht, wenn wir von Frieden, Solidarität und Menschlichkeit sprechen - unschätzbar wertvoll!“ und „Wir müssen alle sehr wachsam bleiben, damit so etwas Ungeheuerliches nie wieder geschehen kann“ sind nur drei der vielen Aussagen.

Am Ende eines solchen Ausflugs werden Fragen aufgeworfen, die nur man selber beantworten kann. Wie hätte man selbst in einer solchen Situation gedacht und gehandelt? Gibt es überhaupt eine vergleichbarere Situation auf der Welt? Was bedeutet einem selber die Demokratie und der Zustand der Gesellschaft, in der wir leben? Es ist ein Ausflug, der zum Selbstdenken und Hinterfragen anregt. Und ist nicht eben das das Ziel?

Die Gesamtschule Much ist Teil des Schulnetzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Schülern und Lehrer verfolgen damit eine Selbstverpflichtung, sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt einzusetzen. Teil des Netzwerks sind auch der Gedenktag für die Opfer das Nationalsozialismus oder der Anne-Frank-Tag. Es wird bewusst das Gegenteil des Nationalsozialismus angestrebt und eine Neubildung einer solchen Denkweise vermieden. Gefördert wird eine „Kultur des Hinsehens“. Dazu ist es jedoch auch notwendig, sich mit den verschiedenen Formen von Rassismus auseinanderzusetzen. Genau dazu sind solche Exkursionen wichtig. Sie schärfen den Blick für das, was war und für das, was nie wieder sein darf.

 

 

 

 

Fotoserien

NS-Ordensburg Vogelsang (FR, 12. November 2021)

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Veröffentlichung

Do, 16. Dezember 2021

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