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Wie eine jüdische Familie den Nazis entkam

Die Aula der Gesamtschule Much besetzten 120 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10, flankiert von einem halben Dutzend Geschichts- und Deutschlehrer.

Was brachte sie am Donnerstagmorgen nach der großen Pause in die Aula? Eine Geschichtsstunde der besonderen Art, zu der die VHS Rhein-Sieg eingeladen hatte. Helena Baloun-Demer und ihr Sohn Dennis lasen dialogisch ihre wahre, über Strecken irrwitzige Familiengeschichte. Im Mittelpunkt steht die Großmutter Adelheid, nur 1,50 m groß, aber mit dem Mut einer Löwin gesegnet. Ihr Mann wurde schon 1941 ins Lager deportiert – danach fehlt vom ihm jede Spur. Nur ein letzter Brief ist erhalten, wo er die Hoffnung ausspricht, in sechs Monaten wieder zu Hause zu sein. Das war sein letztes Lebenszeichen. Selten hat man so viele Jugendliche so konzentriert und interessiert beim Zuhören erlebt. Drei Familienmitglieder verschwanden in diesen Jahren, von allen gibt es keine Gewissheit über ihren Tod und ihren letzten Aufenthaltsort.

Adelheid war zeitweise Volksdeutsche (eine von den Nazis verhängte Bezeichnung), aber eigentlich Donauschwäbin. Sie galt für die Nazis als Jüdin, obwohl nur mit einem Juden verheiratet. Sie ließ sich und die Kinder zweimal taufen, katholisch und orthodox. Sie versteckte Juden und Partisanen in ihrer Wohnung, stellte sich den Nazis und später den Kommunisten entschlossen in den Weg. Nach 1945 reiste sie mit beiden Kindern nach Palästina aus, um dann ihren Lebensweg in Brasilien fortzusetzen. Lebenslang blieb ihr Vorsicht gegenüber den Deutschen. Selbst in Exilgemeinschaften war man nie sicher, ob die Deutschen Opfer oder Täter im Naziregime waren.

Bemerkenswert die Vielzahl der Sprachen, die in dieser Familie gesprochen wurden. Ungarisch, Tschechisch, Deutsch, Serbisch, ein bisschen Hebräisch und Englisch, schließlich Portugiesisch.

Die Betroffenheit der Jugendlichen war deutlich zu spüren. Und so bezogen die Fragen im Anschluss sich in der Mehrzahl auf Gefühle. Was das Erstarken der AfD bei Helena Baloun-Demer auslöse, wie sie sich heute, beim Vortragen, an den traurigen Stellen fühle? – Immer wieder erschüttert! Und deshalb sei ihr auch die Zeit mit den jungen Leuten so wichtig. Sie engagiert sich, damit so etwas nie wieder passiere. In ihrer Familie sind drei Menschen durch die Nazis ermordet worden – die drei stehen für 6 Millionen, deren Leid nie vergessen werden dürfe.

 

(Bericht und Bild: Mechthild Tillmann)

 

 

 

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Veröffentlichung

Mo, 19. März 2018

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